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Anläßlich
einer Vernissage, bei der meine neuesten Arbeiten ausgestellt wurden,
stellte mir meine Galeristin einen
Mann vor, von dem sie meinte, dieser sei ein hohes Tier
in einem großen Konzern und ein potentieller Interessent für
meine Arbeiten. Und ich sollte nett zu ihm sein. Der Mann und ich
führten eine interessante Diskussion über den Minimalismus in der
modernen Kunst. Er vertrat die These, dass der Minimalismus nur eine
Ausrede für den Mangel an
Fantasie darstellen würde. Diese Ansicht forderte meinen Widerspruch
heraus, da ich seit Jahren um eine klare Formensprache ringe. Seine
Überheblichkeit brachte mich mehr und mehr auf, und nach einer hitzigen
Diskussion trennten sich - unter den tadelnden Blicken meiner Galeristin
- unsere Wege. Ich verließ die Vernissage missmutig, denn ich hatte
nichts verkauft und den potentiellen Interessenten hatte ich
erfolgreich in die Flucht geschlagen. Auf dem Weg zur U-Bahnstation
Karlsplatz begegnete ich ihm wieder. Auf der Fahrt mit dem Taxi zu
meinem Atelier hörte ich das erste Mal von einer erotischen Frucht, die
durch ihre starke sinnliche Ausstrahlung in der Lage war, die
bürgerlichen Konventionen eines Mannes zu sprengen und sein Leben zu
zerstören. Diese Erzählung sollte die Grundlage für eine Skulptur
Pannonische Früchte (Die
gleichnamige Story findet sich in dieser Anthologie wieder.) bilden, die
er noch an diesem Abend bei mir in Auftrag gab. Und von da
sandte er mir ein Jahr lang per E-Mail erotische Erzählungen und
sexuelle Fantasien. Es kümmerte ihn dabei herzlich wenig, dass ich jede
E-Mail empört retournierte; wohl wissend, dass sie ja zuvor automatisch
im elektronischen Postfach meines Laptops gesichert worden war.
Die Saat
ist schließlich aufgegangen. Ein Jahr lang konnte ich dem Ansturm der
erotischen Märchen, den poesievollen Erzählungen von menschlichen
Liebesbeziehungen, den frivolen Geschichten über Gruppensex, den Storys
von lesbischer Liebe, Homo- und Bisexualität, den minutiösen
Darstellungen von sadomasochistischen Praktiken, den abstoßenden
Ergüssen von Körperausscheidungen und den sich ständig steigernden
Orgasmusorgien, die per E-Mail über mich hereinbrachen, widerstehen. Ein
jardin erotique
mit einem ungeheueren Variantenreichtum an Blüten hatte meine
Fantasie endgültig in Brand gesteckt. Ich verlor für einige Zeit den
Minimalismus völlig aus den Augen und ließ mich zu Zyklen von erotischen
Zeichnungen, Bildern und Skulpturen inspirieren. Mit der
ausdrücklichen Genehmigung des Autors („Sie gehören Ihnen, ich habe sie
Ihnen geschenkt!“ veröffentliche ich nun unter dem Pseudonym
Jo.PesCosta eine Auswahl jener Storys. Welche Position man auch
immer zu diesem Genre einnimmt, dem gewaltigen Bogen der Fantasie, mit
dem Jo.Pescosta die Grenzen von erotischer Erzählung und sexueller
Fantasie jenseits des Horizonts verschiebt, den Anregungen, die ich
daraus für meine künstlerische Tätigkeit geschöpft habe und seiner
bewundernswerten
Hartnäckigkeit habe ich mich letztlich nicht entziehen können.
Seltsamerweise habe ich seit damals Jo.PesCosta, man kann davon
ausgehen, dass dieser Name ein Pseudonym ist, nicht wieder getroffen.
Aber immer, wenn ich ausstelle, findet sich eine Eintragung
unterzeichnet mit Jo.PesCosta im Gästebuch. Alle anderenKontakte
erfolgten und erfolgen ausschließlich über E-Mails. Eine
Empfehlung möchte ich den Leserinnen und Lesern dieses Buches noch mit
auf den Weg geben: Mit den erotischen Storys jenseits des Horizonts
verhält es sich wie mit petits
fours: manche schmecken ausgezeichnet, manche gar nicht - und im
Übermaß genossen vermögen sie
einem den Magen zu verderben. Doch wenige Stücke wirken
appetitanregend oder sind
in der Lage, ein köstliches Mahl delikat abzurunden!
Wien, im
September 2015
Julia.P.Feers
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updated:
15. September 2015
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